03.02.2000,
Puerto Penasco (Rocky Point), Mexiko
Ich verschlief
mal wieder. Nach einem grauenhaften Kaffee (über den ich mich nicht
beschweren konnte, da ich ihn selbst gekocht hatte) und einer Ladung Aspirin
(diesmal für mein sehr lahmes Bein) verließ ich das Hotel gegen
halb elf. Erster Stop, sogar noch vor dem Circle K, war ein Autoteileverkauf.
Ich nahm ein paar Sicherungen mit zur Kasse, um dem Verkäufer zu sagen:
"Nein, die will ich nicht kaufen, aber ich vermute, ich brauche sowas,
ich kann nur den Sicherungskasten in meinem Wagen nicht finden ..."
Er fand ihn, unter dem Lenkrad,
kein Kasten, die Sicherungen waren frei zugänglich. Nun denn. Ich
zog erst mal wahllos ein paar heraus, bis ich die Beschriftungen entdeckte.
Nun, die mussten bei dem Wagen nicht unbedingt stimmen, aber im
Endeffekt fand ich sowieso keine durchgebrannte Sicherung. Schade. Also
immer noch keine Musik im Auto.
Zeit für Circle K.
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Der
nächste Ort nach Ajo war "Why" - die letzte Möglichkeit, sich
für Mexiko oder für Tucson zu entscheiden. Ich entschied mich
für weder noch so richtig, sondern fuhr weiter Richtung Lukeville,
um das "Organ Pipe Catus National Monument" zu besichtigen. Ha - mein erstes
echtes Sight Seeing! Und wahrscheinlich mein letztes ...
Man konnte zwischen zwei
Routen wählen: 50 Meilen (die westliche Runde) oder 20 Meilen (die
östliche Runde), für 4 Dollar Eintritt. Ich wählte die kürzere
Runde und wurde mit anderthalb Stunden Kakteen, einigen interessanten Felsformationen
und Staub schlucken auf dem Holperweg belohnt. Zur Ranch bekam ich das
auf Wunsch auch umsonst. |
Gegen drei
kam ich in Lukeville an - der Grenzstadt nach Mexiko. Kein Kaffee weit
und breit, nur ein Lebensmittelladen und eine Tankstelle, der der Kaffee
ausgegangen war. Ich verschwendete kostbare Zeit damit, eine alternative
Reiseroute auszutüfteln - von hier aus ging es nämlich nur zurück
nach Why oder nach Mexiko rein.
Ich war mir nicht sicher,
ob meine Autoversicherung auch Mexiko abdeckte und hatte in einem Infoblatt
gelesen, dass man nicht nach Mexiko rein dürfte ohne Versicherung.
Ausserdem hatte ich zu viel Bier im Wagen, um später wieder in die
USA einreisen zu können, es waren nur bis zu sechs Dosen erlaubt.
Ich ging schließlich
in einen der Läden, die "Mexican Insurance" anboten und fragte nach
dem Preis. Wie lange ich bleiben wolle? wurde ich gefragt.
"Ein paar Stunden vielleicht.
Ab wie lange brauche ich eine Versicherung?"
"Eigentlich gar nicht",
meinte der geschäftsuntüchtige Mexikaner.
Ach so. Na denn. Ich vergaß
das Bier und fuhr zum Grenzpunkt. Eine mexikanische Grenzbeamtin winkte
mich zur Seite, versuchte in meinen Wagen reinzuschauen und sprach spanisch.
Als ich es schließlich geschafft hatte, ihr zu erklären, dass
ich Deutsche sei und nur zum Rocky Point wolle, meinte sie: "Go ahead!" |
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Hi, Mexiko!
Hatte ich jemals behauptet,
Amerika sei dreckig? Ich hatte ja keine Ahnung! Das hier war dreckig
- unglaublich dreckig! Überall lag Hausmüll herum, die Menschen
lebten in Baracken zwischen Schrott und Dreck. Selbst die Wüste entlang
des Highways sah bis gut und gern 10 Kilometer hinter
Sonoyta aus wie eine Müllkippe. Eine absolute Schweinerei.
In Arizona standen überall
Schilder "Littering highways unlawful" - es stand unter Strafe, Müll
aus dem Wagen zu werfen. Und zudem sah man dort alle Nase lang ein Schild
"Adopt a highway", was bedeutete, dass man eine bestimmte Strecke einer
Straße adoptieren konnte und dafür zuständig war, sie müllfrei
zu halten. Hier in Mexiko sah ich nun, was solche Maßnahmen ausmachen
können ...
Ich war drauf und dran,
umzudrehen - dieses Land ist zu arm für mich, als dass ich mich hier
wohlfühlen könnte. Nicht arm im Sinne von Geldmangel (das sicherlich
auch), sondern im Sinne von europäischer Kultur - die ich einfach
brauche.
Aber es waren nur 100 km
bis zum Golf von Kalifornien - und das Meer wollte ich nun unbedingt sehen,
wenn ich schon so weit gekommen war.
Die Strecke zog sich dahin,
und nach der müllverseuchten Kakteenwüste begann die echte Wüste:
dürre, niedrige Büsche in einem Meer aus Sand. |
Schließlich
erreichte ich Puerto Penasco, den Amis besser bekannt
als "Rocky Point", offensichtlich ein beliebter Ferienort. Trotz Touristik
- nach wie vor war es dreckig, ungepflegt, vermüllt. Nach einem kurzen
Blick aufs Meer (sah halt aus wie Meer) überlegte ich, zurückzufahren,
aber es war schon spät und aufgrund der wenigen Überlandstraßen
in der Gegend blieben mir eigentlich nur zwei Möglichkeiten: zurück
nach Sonoyta, von dort in östliche Richtung entlang der mexikanischen
Grenze (es gab nur in Mexico eine Straße in diese Richtung), oder meine
ganze Tagesetappe zurück bis Ajo. Es sah so aus, als ob ich um eine
Übernachtung in Mexiko nicht herum kam, wenn ich nicht zurück
nach Ajo wollte - also entschloß ich mich, hier zu bleiben.
Ich
checkte in einem Hotel direkt am Strand ein, eigentlich ganz nett, mit
südländischem Flair, weißgetünchten Zimmern mit rotem
Kachelboden und gemauertem Nachttisch. Allerdings weder Telefon noch Fernseher
noch Kaffee zum Frühstück.
Ich
wanderte dann zum Wasser. Offensichtlich gab es hier sowas wie Gezeiten,
und im Moment war Ebbe. Gar kein so beeindruckender Anblick; wenn es nicht
so warm gewesen wäre, hätte man sich fast in Holland wähnen
können. |
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Alle
Nase lang wurde man von einem Mexikaner angesprochen, der Stolen, Silberschmuck,
Decken oder Tinneff anbot. Ich zeigte auf meine Halskette und meine leeren
Arme: "Das ist alles, was ich trage - nichts anderes" oder meinte bedauernd:
"Das ist mir zu groß / zu schwer, um es nach Deutschkand mitzunehmen."
Ein
paar Jungens ritten auf ihren Pferden vorbei, sie blieben vor dem Hotel
stehen, und ich bekam mit, dass sie die Pferde vermieteten.
20
Dollar verlangten sie pro Stunde. Ich zeigte auf die Uhr und meinte: "In
einer Stunde ist es ja schon dunkel!"
Wir
handelten schließlich 5 Dollar für einen Ritt bis zum Ende des
Strandes aus - das schätzte ich auf ca. 30 Minuten.
Nach
fünf Minuten drehten die Sausäcke um. Auf einmal konnten sie
kein Wort englisch mehr, nur noch "Non comprendere."
Tja.
Was soll man machen? Ich beschimpfte den ca. 12jährigen Betrüger,
er verstand jedes Wort. Er wagte es nicht, mich vom Pferd zu schubsen,
aber zog mir die Stricke aus der Hand, die als Zügel dienten, und
meinte nur "non comprendere."
Fluchend
stieg ich ab. Das hier war hervorragend geeignet, um meine Vorurteile gegen
Mexiko zu stärken. |
Ich
wanderte noch etwas am Strand herum und stieg dann in meinen Truck, um
Rocky Point zu erforschen. Es war offensichtlich eine stark wachsende Stadt,
überall wurde gebaut, hauptsächlich Hotelkomplexe.
Ich
fand so etwas wie ein Ortszentrum, wo die Mexikaner einen nicht ansprachen,
um Kitsch zu verkaufen, sondern um einen in die Restaurants oder Bars zu
locken. Ich lehnte wieder dankend ab - kein Hunger, kein Durst, und verzog
mich in eine ruhige Ecke, um den Sonnenuntergang abzuwarten.
Wieder
wurde ich angesprochen, ich ignorierte den Mann, bis ich bemerkte, das
es ein Amerikaner war, der mich fragte, ob ich Englisch spräche. Er
wollte einen Tipp für ein gutes Restaurant. Sorry - da musste ich
passen.
  
Als
die Sonne endlich futsch war, fuhr ich schnellstens zum Hotel zurück,
nahm alles aus dem Wagen, was auch nur annähernd von Wert war, und
verzog mich auf mein Zimmer.
Nein,
Mexiko war nicht mein Land! |
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