27.05.
- 29.05.2000, Williams Family Ranch, Arizona - Spring Round up
Drei Tage
Hitze, Schweiß, Staub, Gestank - das war echtes Cowboyleben.
Samstagmorgen gingen wir
gegen halb sechs zum Korral, um unsere Pferde fertig zu machen. Charlie
und mir wurden Do Good und Tadpole zugeteilt, ich grabschte mir im Vorbeigehen
die kleine Fuchsstute an der Mähne.
"So you ride Do Good?" meinte
Roy zu mir, als er mir ein Halfter reichte.
"Yeah - I'm not sure. Maybe
Charlie would like her", antwortete ich, aber der lehnte dankend ab.
Also putzte ich die schlechtgelaunte
Stute und stritt mich mit ihr darum, die Hufe zu geben. Ich befürchtete
schon, sie könnte was am rechten Hinterbein haben, weil sie sich so
standhaft weigerte, mir ihren linken Hinterhuf zu geben, aber wahrscheinlich
hatte sie einfach nur ihren zickigen Tag.
"She doesn't like me today",
meinte ich entschuldigend zu Roy und Charlie, die uns beobachteten.
Vor dem Korral stiegen wir
auf, um zum Ranchhaus hoch zu reiten und uns mit kalten Getränken
zu versorgen. Charlie und Roy waren schon einige Meter vorraus, während
ich noch das Tor schloß und aufstieg.
Als ich versuchte, Charlie
mit Do Good zu folgen, begann sie sich im Kreis zu drehen. Ich trieb sie
an, nahm die Zügel kürzer - aber sie wurde nur noch irrer und
knickte mit dem rechten Hinterbein so sehr ein, während sie sich drehte,
dass ich schließlich dachte, sie könnte nicht auftreten und
würde jeden Moment umkippen. Ich rief Charlie um Hilfe, der zurückkam
und uns beobachtete. Die kleine Fuchsstute ging ein paar Schritte geradeaus
- offensichtlich ohne Probleme. Dann fing das Spiel wieder an.
"Is she all right?" fragte
ich Charlie besorgt, aber der meinte, sie würde absolut nicht lahmen.
Kurz dachte ich "sitze ich
eigentlich auf Do Good?", aber ihre Zicken, ihr Ausdruck, die Farbe
- alles stimmte. Nur dass sie diesmal etwas sehr zickig war. Mit Ach und
Krach schafften wir es zum Ranchhaus, wo Roy und Charlie abstiegen, während
ich versuchte, Do Good ein wenig herumzureiten, damit sie ihren Dickkopf
abreagiert hatte, wenn wir losritten.
"Are you sure you want to
ride this horse?" fragte mich Roy.
"Yeah - give us just a minute,
she'll be okay!" meinte ich, während die Stute sich um ihre eigene
Achse drehte.
Carrol kam aus dem Haus
und starrte uns an.
"That's Sugar Baby", meinte
Roy aufeinmal trocken.
Was sollte an einer spinnenden
Do Good süß sein, fragte ich mich, bis ich schnallte, warum
Carrol anfing zu lachen: ich saß auf dem falschen Pferd. Die Stute,
die Do Good fast aufs Haar glich, war "Sugar Baby", eine Vierjährige,
die bisher erst zweimal im Korral geritten worden war - und das war Monate
her. Ich kannte sie nicht, da sie sonst immer in Phoenix gewesen war, und
im Korral hatte ich keine andere Fuchsstute als Do Good erwartet. Mein
Gott, wie peinlich! Aber ihr Benehmen, ihr Aussehen - ich hatte keinen
Unterschied bemerkt. Do Good hatte einen weißen Vorderfuß,
aber daran hatte ich beim putzen und satteln nicht gedacht.
Roy fragte mich spöttisch,
ob ich die Stute für den Round up nehmen würde, dann wäre
sie auch endlich zugeritten, aber ich lehnte vehement ab - ein sieben-stunden-Ritt
auf einem Grünling? Nein, danke!
Mit Charlies Hilfe tauschte
ich die Doppelgängerin innerhalb von zehn Minuten gegen das Original
ein und schloß mich der Gruppe an, die abmarschbereit vor dem Ranchhaus
stand. |
Wir
ritten den Hassayampa entlang und schlugen uns dann westlich über
ein paar Hügel. Ziel war: So viele wie möglich Rinder zu finden
und zur Ranch zu treiben. Als erstes stießen wir auf eine Kuh mit
Kalb, das sich der Hund Cleades mal wieder zwischen nahm. Wir ließen
die beiden erschöpften Rinder zurück und ritten weiter, bis wir
auf ca. zehn Tiere stießen, die Carrol, Cindy und ich zum Hassayampa
trieben, während Roy, Cousin Allan und Charlie nach weiteren Rindern
ausschau hielten.
Wir Frauen hielten unsere
Rinder in einer Felsecke am Hassayampa fest und warteten darauf, dass die
Männer mit weiteren Tieren nach kamen. Wir warteten zwei Stunden in
sengender Hitze, ohne Schatten, kaum eine Brise, bis wir endlich das Muhen
von weiteren Rindern hörten.
Ca. fünfzig Tiere kamen
um eine Flußbiegung herum, gefolgt von den Cowboys. Es war die größte
Herde, die ich je in Arizona gesehen hatte - normalerweise traf man in
der kargen Gegend nie auf mehr als sechs oder acht Rinder.
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Die Rinder
zur Ranch zu treiben war nun fast nur noch eine Fleißaufgabe, die
aber einige zerissene Hemden und zerkratzte Arme forderte, da einzelne
Tiere immer wieder versuchten, zwischen den dicht stehenden Mesquite-Sträuchern
zu verschwinden. |
Ein
Kalb war zu schwach, um mitzulaufen, Carrol nahm es vor sich quer über
den Sattel. Dort hörte es schon nach wenigen Augenblicken auf zu strampeln und schien den Ritt regelrecht zu genießen.
Gegen zwei Uhr hatten wir
alle Rinder im großen Korral - Feierabend für uns, die Hitze
ließ keine weiteren Arbeiten zu.
Nicht nur Menschen und Tieren
wurde es zu heiß, auch mein Notebook begann bei 42 Grad im Schatten
langsam, aber sicher, seinen Geist aufzugeben. Da ich Angst hatte, den
Prozessor zu überhitzen, ließ ich ihn schließlich in Ruhe
und schlug die Zeit mit Kaffee trinken, hin- und herwandern, Helfen in
der Küche und langweilen tod.
Im Garten hinter dem Ranchhaus explodierten Cola-Dosen von der Hitze;
Metallgegenstände, die in der Sonne lagen, verbrannten einem die Haut.
Wenn es nicht die Ranch mit meiner amerikanischen "Familie" wäre, würde
ich denken, ich sei in der Hölle gelandet ...
Nach einem abendlichen Barbeque
mit achtzehn Leuten blieben nur noch drei Übernacht-Gäste, die
am späten Nachmittag eingetroffen waren, lange auf, alle anderen fielen
früh ins Bett.
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Als ich
am Sonntagmorgen in die Küche kam, war dort absolute Hektik angesagt.
Roy hatte sich am Vortag die Rippen geprellt und es war über Nacht
sehr schmerzhaft geworden, weswegen Carrol mit ihm nach Phoenix zum Arzt
fuhr. Carrols Cousine Darleene nahm das zum Anlaß, aus der Frühstückszubereitung
eine strategisch zu planende Kampfhandlung zu machen, der ich mich mit
einem Becher Kaffee entzog.
Roys Sohn Doby, der am Vorabend
eingetroffen war, übernahm nun die Stellung des Bosses auf der Ranch
und leitete die heutige Tagesaufgabe: sortieren der Rinder und Brennen,
Markieren und Kastrieren der Kälber.
Ich sattelte mir wieder
Do Good (diesmal prüfte ich, ob sie einen weißen Vorderfuß
hatte ...) und half dabei, die Rinder vom großen Korral in den kleinen
Korral zu treiben.

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Dort
ritten Doby und Cousin Allan gut eine halbe Stunde lang durch die sechszigköpfige
Herde und versuchten, die Kälber ihren Müttern zuzuordnen. Da
die Rinder verschiedene Besitzer mit verschiedenen Bränden hatten,
musste man immer darauf achten, dass man die richtige Mutter zu den Kälbern
identifizieren konnte, die man zum Brennen fing. Das war fast das schwierigste
an dem ganzen Job, da die Kälber alle alt genug waren, um auch bei
anderen Kühen zu stehen.
Charlie wurde zum Chef-Roper
ernannt und fing die meisten Kälber mit dem Lasso. Obwohl er erst
vor drei Monaten angefangen hatte, mit dem Lasso zu üben, machte er
einen erstaunlich guten Job. Er fing fast jedes Kalb beim ersten Versuch
und brachte es zu dem wartenden Fußvolk am Brennofen.
Ich hatte den eher undankbaren
Job des Aufpassers, meine Aufgabe war es, mit Do Good die Rinder auf einer
Seite des Korrals in Schach zu halten, was stundenlanges stehen der Sonne
und anstarren der Kühe bedeutete, die immer mal wieder versuchten,
auszubrechen.

Etwas neidisch
beobachtete ich Charlie, dem ich bei unserem letzten gemeinsamen Aufenthalt
auf der Ranch gezeigt hatte, wie man mit einem Lasso umging - so weit konnte
man es also bringen, wenn man nebenbei ein wenig übte ...

Das Brennen
und Markieren der Kälber sei nur kurz erklärt, ich hatte es ja
schon auf der Mule Shoe Ranch beobachten können. Der Brand wurde je
nach Besitzer des Kalbes auf die Seite oder auf das Hinterteil gemalt (nicht
nur einmal aufgedrückt, sondern mit verschiedenen Brenneisen eher
gezeichnet), dann wurden Markierungen in die Ohren geschnitten und das
Kalb bekam ein Plastikschildchen mit Nummer im Ohr befestigt. Es gab eine
Impfung und bei männlichen Kälbern die Kastration - mit einem
Messer wurde der Hodensack aufgeschnitten und die Hoden herausgetrennt
- fertig. Alles in allem maximal fünf Minuten, allerdings ohne Betäubung
- wie üblich im "Wilden Westen".

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Wir brannten
ca. zehn Kälber, was aber den ganzen Vormittag in Anspruch nahm, da
auch einige der anwesenden Kinder mal Lasso werfen übten.
Dann begannen die Männer,
die Rinder zu sortieren. Einige gingen zum Verkauf, einige gehörten
Nachbarn, eine Gruppe hatte Kälber oder bekam welche in absehbarer
Zeit und die vierte Gruppe war "dry", also vermutlich nicht trächtig.
Beim
Sortieren der Rinder konnte ich nicht helfen, ausserdem war ich nach vier
Stunden im Sattel mit viel Staub aber ohne Schatten ziemlich aufgeheizt,
darum ging ich hoch zum Ranchhaus, um mich ein wenig abzukühlen. Mein
Schatten Danny leistete mir Gesellschaft und machte mir einen sehr attraktiven
Vorschlag, wie ich in Amerika bleiben könnte, den ich aber leider
ablehnen musste. Um eine Green Card zu bekommen gäbe es für mich
nur drei Möglichkeiten: eine per Los "gewinnen" (Glückssache,
Chancen 17:1), eine Millionen Dollar in den USA investieren (hatte ich
nicht) oder heiraten (wollte ich nicht). Trotzdem riet mir jeder zum letzteren
- vielleicht sollte ich in Zukunft besser den Mund halten, wenn es um die
dritte Möglichkeit ging ;-)
Als ich zum Kooral zurückkehrte,
waren die Männer immer noch am sortieren, danach standen für
den Nachmittag keine Aufgaben mehr an - viel zu heiß! |
Am
späten Nachmittag sattelten wir unsere Pferde wieder, um die Gruppe
mit den Kälbern zu einer Quelle zu bringen, die ca. drei Kilometer
entfernt hinter einigen Hügeln lag.
Es war immer noch warm,
weswegen alle auf Chaps verzichteten, auch ich trug statt meiner Lederhose
nur eine Jeans. Nachdem wir die Viecher eine Stunde lang durch tiefstes
Dickicht getrieben hatten, war ich um ein Paar Shorts reicher - ich hatte
mir das ganze Hosenbein an einem Mesquite-Strauch aufgerissen, durch den
ich durchbrechen musste. Immerhin - das erinnerte mich daran, dass ich
nun schon seit vier Wochen in den USA war und noch keine einzige Prellung
oder ähnliches erlitten hatte ... (vgl. "Invaliden-Check
Amerika I")
Es war fast dunkel, als
wir zur Ranch zurück kehrten - Tageswerk erledigt.
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Montagmorgen.
Doby weckte uns um viertel nach fünf zum Frühstück: "Get
up, boys and girls!"
Um halb sieben waren unsere
Pferde gesattelt, und während die Männer zwei größere
Kälber brannten, die sie am Vortag ausgelassen hatte, nahm ich Dobys
heutiges Reitpferd "Flash Back" als Handpferd mit, um es zwei mal den Hügel
hinter der Ranch auf und ab zu führen, damit er sich etwas austobte
und Doby nicht abbuckelte. Der Vierjährige war bisher wenig geritten
worden, aber er machte mir weniger Probleme als mein Reitpferd Switch,
der bei
der zweiten Runde keinen Bock mehr auf das unsinnige auf und ab hatte.
Wir ritten zwei mal fast über eine wirklich riesige Klapperschlange,
die gemütlich über den Trail schlängelte. Am nächsten
Tag fand Danny sie und entledigte sie ihres Kopfes.
Im Korral waren die sortierten
Rinder durcheinander geraten, bis zehn Uhr werkelten die Männer herum,
dann traf Roy ein. Er ging etwas steif, war aber gut verarztet worden und
löste seinen Vertreter Doby sofort ab.
Eigentlich hatten wir geplant,
die "trockenen" Rinder zu einem Wassertank am anderen Ende der Ranch zu
treiben, etwa acht Kilometer entfernt, aber Roy insistierte: bei der Hitze
wäre das ein unmögliches Unterfangen, wir würden statt dessen die Rinder per
Trailer dort hin fahren. Bei den knapp vierzig Tieren bedeutete das sieben
Fahrten über die Holperstrecke. Kein Zuckerschlecken, aber machbar.
Während Charlie und
ich zwei Pferde zu dem Wassertank ritten, machten Roy und Allan vier Fuhren,
dann war Lunchpause. Am späten Nachmittag wurden die letzten Rinder
herübergefahren, die alle in einem Korral in der Nähe des Wassers
abgeladen wurden. Als alle dort waren sattelten Charlie und ich uns die
Pferde, sie wir am Vormittag dort gelassen hatten, und sorgten dafür,
dass die aus dem Korral freigelassenen Rinder beim Wassertank blieben,
anstatt sofort das Weite zu suchen.
Wieder war ein heißer
Tag zuende, die Verwandschaft und Roy fuhren zurück nach Hause, so
dass nur noch Carrol, Danny, Charlie und ich zum Abendessen auf der Ranch
waren.
Der dritte Tag in Hitze
und Staub hatte mich echt geschafft, gegen neun fiel ich schon erschlagen
ins Bett, aber ich schlief kaum mehr als drei Stunden, bis der Wecker um
vier Uhr morgens klingelte - zu heiß! |
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