27.01.2000,
Prescott, Arizona / Blythe, California
Langsam
wuchs sich diese Woche zu einer Pannenwoche aus. Nachdem ich mich morgens
ins Internet einloggte, um Mails abzurufen (by the way - warum bekomme
ich eigentlich keine Mails?), verreckte mir der Computer. Tat sich nichts
mehr, nahm keinen Netzstrom an, ließ sich nicht mehr einschalten.
Ich packte alles weg und beschloß, den Computerladen aufzusuchen,
wo man mir so nett mit dem Internetzugang geholfen hatte ... so gewinnt
man Kunden!
Nu hatte ich noch eine Stunde
Zeit bis zu meinem Arzttermin. Nichts zu tun. Also packte ich doch noch
mal aus, schraubte ein wenig herum, dann tat er es wieder. Hoffentlich
in Zukunft immer. Ich fürchte, der Arizona-Staub macht meinen Geräten
ganz schön zu schaffen, auch die Digitalkamera hat manchmal Aussetzer.

Dann
der Arztbesuch. Wie üblich in Amerika waren alle superfreundlich,
von der Arzthelferin bei der Begrüßung über die Frau, die
Blutdruck maß bis zum Arzt selbst.
Als Unfallursache sagte
ich zwar, was wirklich passiert war, bat aber darum, dass aufgeschrieben
wurde "unter der Dusche ausgerutscht und an die Armatur geprallt" - manchmal
stellen sich die Versicherungen etwas merkwürdig bei Reitunfällen
an und verlangen eine Begleichung der Arztkosten durch den Pferdehalter.
Lächerlich, aber auch
amerika-typisch, war die Untersuchung. Meine schmerzende Rippe lag auf
der linken Seite - unterm Busen, weswegen ich auch nichts ertasten konnte.
Klar, dass ich mich beim Arzt oben rum frei machen musste. Nix mit: "Ziehen
Sie mal ihre Bluse aus."
Nöööööö!
"Ähm ... ja. Warum
nehmen Sie nicht das hier", - er drückte mir so einen Krankenhauskittel
in die Hand, den man hinten nur zubindet - "und ziehen sich bis hier hin"
- er zeigte auf seine Taille - "aus?".
"Äh - ja, klar. Aber
wozu brauche ich das hier?" fragte ich überrascht und hielt den Kittel
hoch. "Ahh - das hier ist Amerika ...."
"Genau, das hier ist Amerika
..." stimmte der Arzt mit dem polnischem Namen zu und verließ den
Raum.
Er ließ mir mehr als
ausreichend Zeit, mich umzuziehen, bevor er wieder hereinkam. Dann horchte
er Lunge und Herz ab (durch den Kittel durch!), erst bei der direkten Untersuchung
der Rippen wagte er einen Griff unter den Kittel - *auweia*
Langer Rede, kurzer Sinn:
Höchstwahrscheinlich nichts gebrochen, und selbst wenn - es würde
keinen Unterschied bei der Behandlung machen. Und die Behandlung war: keine.
Eine Rippenprellung oder ein Bruch tut über Wochen, vielleicht sogar
Monate höllisch weh - behandeln kann man sie nicht. Ich könnte
gerne eine Röntgenaufnahme für 58$ machen - aber das würde
nichts ändern. Lunge und Herz arbeiteten normal, nichts eingeengt,
beim Unfall selbst hatte ich weder Blut gespuckt noch großartig röcheln
müssen - das Geld sollte ich mir also lieber sparen, riet er mir.
Nun gut. Ich sparte mir also die 58$, blechte 81$ für den guten Rat
und erweiterte meinen Speiseplan (Burger und Donuts) um Aspirin. 100 Tabletten
für 99 Cent bei Big K mart.
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Nun denn
- nichts hielt mich mehr im wolkigen, kalten Prescott - auf in den Süden!
Mit jeder Meile, die ich
mich von Prescott entfernte, nahm die Temperatur zu und die Bewölkung
ab.

Interstate
60. Meilenweit kein anderes Auto zu sehen, die Straße zieht sich
kerzengerade dahin, der Asphalt flimmert, ab und zu zieht eine kleine Windhose
den Wüstensand in den Himmel.
Ich vertiefte mich für
drei Stunden in amerikanische Roadmovie-Romantik - und hoffte verzweifelt
auf ein Circle K.
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 Aber
die Orte, die auf der amerikanischen Landkarte größer eingezeichnet
waren als bei uns eine deutsche Kleinstadt, bestanden nur aus Baracken,
vielleicht einem Café - aber nicht unbedingt einem, das ich alleine
betreten wollte.
Schließlich erreichte
ich Ehrenberg - und entschloß mich nach einem kurzen Blick auf die
neben der Interstate liegenden Häuser (wo issn da die Ghost town?)
erst mal die vier Meilen nach Blythe durchzufahren. Morgen war auch noch
ein Tag, um die Geisterstadt zu suchen - sofern es sie überhaupt wirklich
gab.
Ich passierte die kalifornische
Grenze, die Grenzbeamtin winkte mich durch und wünschte mir einen
schönen Tag. Schade, kein Grenzabenteuer mit filzen und so? Mit der
Schrottkiste?
Mit der Grenze überschritt
ich auch eine Zeitzone - hier gingen die Uhren um eine Stunde nach. Ich
ignorierte diese Tatsache und verbrachte den restlichen Tag in Arizona-Zeit.
Es lohnte sich kaum, für eine Nacht die Uhr umzustellen.
Meine ersten Worte im neuen
Bundesstaat waren: "Hi California! Ich hoffe, hier gibt es auch Circle
K's!"
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Nein, gab es
nicht. Statt dessen eine überraschende Veränderung der Flora.
Als ob sie wissen würden, dass sie in Arizona nichts zu suchen hatten,
wuchsen just hinter der Grenze Palmen. In Blythe: überall Palmen.
Keine vier Meilen von Arizona entfernt.

Nachdem
ich mich bei einem "Jack in the Box" mit einem Jumboburger gestärkt
hatte, erforschte ich Blythe. Es ist etwa so groß wie Wickenburg,
hat aber bei weitem nicht den Charme der Western-Kleinstadt in Arizona.
Bemerkenswert viel Landwirtschaft
drum herum, offensichtlich gab es hier ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem.
Schließlich konnte nicht auch die Wüste (neben den Palmen) vor
der Grenze halt machen.
Ich suchte mir ein Motel,
das halbwegs ansehnlich aussah (meine Güte - da gab es vielleicht
Kaschemmen!) und beschloß nach dem einchecken, das nächste Mal
doch lieber 10 Dollar mehr für ein Motel 6 oder Super 8 anzulegen
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Erster Blick ... |
zweiter Blick ... |
dritter Blick! - der Kühlschrank.
Exemplarisch für jeden näheren Blick. |
Ich verbrachte
den Nachmittag damit, ein wenig in der Gegend herumzufahren, meinem Truck
neue Sitzbezüge zu schenken (der Fahrersitz löste sich langsam
in seine Bestandteile auf, bei jedem Aussteigen verlor er ein bisserl von
seiner Schaumstofffüllung) und den Sonnenuntergang zu verfolgen.
Zum
Abendessen gab es zur Abwechslung mal keinen Burger, sondern einen Corn
Dog. Das ist ... ja. Ein Würstchen am Stiel. Hört sich schlimmer
an, als es ist. Das Würstchen wird auf einem Holzstöckchen aufgespießt
und ist in einer Hülle aus Maismehlteig (engl. Corn = dt. Mais) gebacken.
Leider hatte ich das nebige Ansichtsexemplar schon halb verspeist, bevor
es zu dem Foto kam ...
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