01.08.01  Fixing Fence in New Haven (Musicplace II)

Gegen halb sieben weckten mich Robbys Schritte in der Küche - ich würde ihn dringend dressieren müssen, nicht mitten in der Nacht durch die Lodge zu stiefeln!
Mein Knöchel war etwas abgeschwollen, tat aber immer noch weh. Um den Gästen eine Freude zu machen behauptete ich beim Frühstück, es sei viel besser, und humpelte dann mit Ferdi und Rambo-Roberto zum Pickup, um mit ihnen Steine für einen Pfad zu sammeln, den Gianluca und Simone vor der Lodge bauen wollten.

Danach saß ich viel am Rechner, ich hatte einiges an Mails nachzuholen, und übte mich im Smalltalk mit den Gästen. Zum Lunch gab es meine geliebten Spaghetti Carbonara, zu Besuch waren zwei Sattler aus Rapid City da, bei denen ich meinen Sattel gekauft hatte. Nach dem Mittagessen fuhr Ferdi mit ihnen im Pickup irgendwo hin, während ich den Tierarzt Drew wegen meiner Stute Josey anrief. Der meinte, dass wir wohl früher oder später tatsächlich einen Gips umlegen mussten, aber zunächst sollte ich es mit dem Schmerzmittel versuchen, das er mir für Sonny dagelassen hatte.

Gegen drei Uhr hängte ich den Trailer von meinem Pickup ab und fuhr nach New Haven, um mir den Four Wheeler zu schnappen und spazieren zu fahren bzw. natürlich Zäune zu flicken. Der Four Wheeler stand nicht in seinem Schuppen, sondern unter einem Baum geparkt, weswegen ich mir nicht sicher war, ob jemand ihn brauchte. In der Hunting Lodge war niemand und der Motor war kalt, also beschloß ich mir die Kiste einfach fertig zu machen und runter zu Joann zu fahren, um sie zu fragen, ob sie näheres wüsste. Zu dem ganzen schon geladenen Equipment wie Nägel, Werkzeuge, Draht und Zaunpfählen lud ich noch ein geschlossenes Rohr auf, das man brauchte um Stahlpfähle in den Boden zu hauen, außerdem natürlich Handschuhe, Kamera und einen Thermosbehälter mit drei Liter kaltem Wasser - inzwischen hatte ich gelernt, dass einen die warme Luft in Wyoming durstiger machte als die trocken-heiße Luft in Arizona.
Bei Joanns Haus dachte ich zuerst, dass niemand da sei, aber auf mein rufen meldete sie sich. Ich fragte sie nach dem Four Wheeler, und sie meinte, dass Brandy ihn wahrscheinlich dort stehen gelassen hatte, ihn aber kaum heute noch brauchen würde. Bevor ich endgültig los fuhr erklärte ich ihr, wo ich ungefähr hin wollte und versprach, mich wieder bei ihr zu melden, wenn ich zurück kam. Und dann vielleicht auf das Angebot auf ein Getränk zu bleiben zurück kommen würde.
Ich fuhr in Richtung New Haven Friedhof, wo Nick mir ein Cattle Guard gezeigt hatte, neben dem der Zaun dringend repariert werden musste. Es kostete mich eine Stunde Arbeit und wirklich viel Schweiß, um den Pfosten neu zu setzen, die Drähte neu zu ziehen und das ganze zu spannen, weil es ein Endpfosten vom Zaun war. Zufrieden war ich mit dem Ergebnis dann zwar nicht, aber es war immerhin besser als vorher.
Ich fuhr weiter den Zaun entlang, der etwa fünfzehn Meter von der Straße entfernt im Wald verlief. Ich merkte mir, dass der Zaun zwar nett, die Pfosten aber häufig ziemlich schwach aussahen, sie mussten zum teil neu gesetzt werden, was sicherlich ein Haufen Arbeit war. Zu viel Arbeit im Moment, ich wollte erst den ganzen Zaun checken. Ich kam wieder auf baumloses Land und fuhr durch ein Gate in die Weide herein. Bald wurde es hügelig, und mit ziemlich gemischten Gefühlen wagte ich meine ersten Hang-abwärts-Versuche mit dem Four Wheeler. Ich kam in Schräglage und fühlte mich absolut nicht mehr wohl weswegen ich mich vor dem Zaun ausrollen ließ. Gut zwanzig Mücken saßen auf meinen Armen, panisch versuchte ich nach dem Bugspray zu langen, das in einer Tasche vor mir am Windschutz steckte, wobei mir der Four Wheeler fast in den Zaun rollte, weil die Handbremse es auf abfallenden Gelände offensichtlich nicht richtig tat. Endlich hatte ich mich sortiert, musterte den Zaun, der eine leichte Reparatur nötig hatte und entschied mich dann gegen die Arbeit, weil sich der Four Wheeler hier nicht parken ließ. Drehen konnte ich auch nicht, also fuhr ich, die Luft anhaltend, rückwärts den Hang wieder rauf, um nach einer besseren Stelle zu suchen, den Hang wieder herunter zum Zaun zu fahren. Ich fuhr um einen kleinen Grad herum und dann den Hang an einer weniger steilen Stelle wieder hinunter. An der anderen Seite ging es wieder steil hoch, aber der Weg war für den Four Wheeler von Bäumen versperrt, weswegen ich mich schweren Herzen für einen Spaziergang am Zaun entlang aufraffte. Zunächst verpasste ich mir noch eine gute Ladung Bug Spray, weil die Mücken mich aufzufressen drohten. Etwas piekste an meinem Unterschenkel, ich griff erschreckt zu und spürte etwas in der Jeansfalte zerknacksen, als ich die Hand darum schloß. Auweia, was für ein Riesenbiest war mir denn da in die Hose gekrochen? Weil ich mir nicht sicher war, ob es wirklich kaputt war, wagte ich es nicht, die Hosenfalte loszulassen und musste mich wie ein Entfesslungskünstler winden, um einhändig gebückt aus der Jeans heraus zu kommen. Dabei dachte ich daran, dass ich meine Beine und etc. nun schutzlos den Mücken auslieferte - das war mal wieder ein typisches „zu-Besuch-auf-einer-von-Nicks-Ranches“-Erlebnis ...
In der Hosenfalte fand ich - ich konnte es kaum glauben - einen vor Zerquetschung etwa vier Zentimeter langen Skorpion. Skorpione in Wyoming? Und dann auch noch in meiner Hose? Eine Erklärung fand ich dafür beim besten Willen nicht, aber es war zweifellos ein Skorpion, ich hatte genug davon in Arizona gesehen. Sorge machte mir nun der Biß, und ich versuchte mich daran zu erinnern, was Carrol mir erzählt hatte. Giftig, aber nicht mehr als drei Bienenstiche zusammen. Ich würde es also überleben, kein Grund sich vor der Arbeit zu drücken. Ich zog mir die Jeans wieder an und stieg mit Zange und Handschuhen bewaffnet den Hügel am Zaun entlang hoch. Dabei dachte ich noch „vielleicht besser, ein paar Nägel und Draht mitzunehmen“, aber ich war schon unterwegs und zu faul zurück zu laufen. Natürlich fand ich eine Stelle, für die ich dringend Draht brauchte und benutzte dann notdürftig einen elastischen Zweig, um dem Zaun wenigstens ein trügerisch stabiles Aussehen zu verschaffen. Nach einigen hundert Metern kam ich wieder in freies Grasland und kehrte um, um zu versuchen, mit dem Four Wheeler auf das Feld zu gelangen. Die Weide war viel größer als ich erwartet hatte.
Mit dem Four Wheeler rumpelte ich den Canyon entlang auf der Suche nach einer einfachen Auffahrt, aber ich fand keine, die ich mir Laien zutraute, also kehrte ich um, um das Problem zu umfahren und von der anderen Seite anzugehen. Ich kam zurück zu dem Gate, durch das ich herein gefahren war, und sah Nicks Pickup die Straße entlang kommen, wir begrüßten uns, als ich durch das Gate war.
Er hatte mich versucht auf der Lake Ranch telefonisch zu erreichen, weil er einen Auftrag für mich hatte, mich aber dort nicht erreicht; ich hatte dort auch nicht Bescheid gegeben hatte, wohin ich gefahren war. Als er nach New Haven kam sah er meinen Pickup und schlußfolgerte (für einen Mann schon fast zu logisch), dass ich mich irgendwo an dem Zaun zu schaffen machte, den wir vor einigen Tagen besprochen hatten.
„By the way - this is not my pasture“, klärte er mich grinsend auf das Gate deutend, durch das ich gerade gekommen war, auf. Ungläubig starrte ich ihn an. Tatsächlich, es gab einen Zaun zwischen seinem Pasture und diesem hier, den ich übersehen hatte, und die ganze Mückenplage und Kletterei hatte ich für seinen Nachbarn durchgestanden, der ihn noch nicht einmal mochte. Na klasse! Na, zumindest hatte ich etwas Four Wheeler Praxis gesammelt und die Hauptarbeit in den Zaun beim Cattle Guard gesteckt, der nun definitiv Nick gehörte. 
Er zeigte mir die Stelle zwischen den Bäumen, die ich übersehen hatte und an der der Zaun begann, der seine Weide vom Nachbarn trennte. Na denn - nächstes Mal ...
Im Moment bat er mich darum, eine Herde Rinder am nächsten oder übernächsten Tag auf eine andere Weide zu bringen. Dafür wollte er mir zeigen, wo sie jetzt seien, weil er mir beim Umtreiben nicht helfen können würde. Also fuhren wir den Four Wheeler irgendwo von der Straße weg in den Wald und dann mit dem Pickup zu den Weiden, wo die einjährigen Kühe grasten, die im Herbst die Zuchtkühe ersetzen würden, die nicht trächtig geworden oder einfach nur zu alt waren.
Die zweihundert Rindviecher standen genau an dem Gate, durch das ich sie würde treiben müssen, also beschlossen wir, sie einfach jetzt schon durch zu lassen, was mir zwar Arbeit ersparte, aber auch den Spaß, auf einer schönen Weide Rinder zusammentreiben, verdarb. 
Nick öffnete das Gate, rief sie, worauf sie im Prinzip durch die Winterfütterung trainiert waren, und zweihundert Jungkühe wanderten brav durch das Gate. 
Wir fuhren die alte Weide mit dem Pickup ab, um sicher zu sein, dass wirklich alle Tiere raus waren, legten auf der neuen Weide Salzlecksteine aus und fuhren dann zurück zu dem Four Wheeler. Nick würde Joann Bescheid geben, dass ich heil zurück gekommen war, weil es inzwischen mal wieder später als geplant geworden war. Ich brachte den Four Wheeler darum ohne Zwischenstop an Joanns Log House direkt hoch zur Hunting Lodge, wo mein Pickup stand. Dort lud ich meine Sachen um und fuhr die kleine Kiste in ihren Schuppen. 
Auf dem Rückweg zur Ranch roch ich Rauch. Die Wolkenwand, die ich schon seit einer Stunde kommen sah, entpuppte sich als Qualm, der sich wie Nebel über die Landschaft legte. Es musste ein sehr großes Feuer sein, und ich hoffte nur, dass es weit genug entfernt war.
Zurück auf der Ranch hatte ich gerade noch genug Zeit, Josey ihre erste Ladung Schmerzmittel zu verpassen, bevor es Abendessen gab. Wir hatten einen neuen Gast, Johanna, eine Schweizerin, die mittags angekommen war und morgen leider schon wieder abreisen würde. Mit ihr unterhielt ich mich lange auf deutsch, was teilweise gar nicht so einfach für mich war. Ein Monat ohne die Sprache hatte mich ganz schön einrosten lassen und mir rutschten immer wieder englische Bezeichnungen heraus.
Der starke Rauchgeruch ließ mit der Zeit nach, dafür war es sehr windig. Wo auch immer das Feuer war - man konnte nur hoffen, dass es sich durch den Wind nicht zu stark ausbreitete.

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